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Bitte beachten: Dieses ist ein klassischer Parkscout-Artikel, der bestmöglichst an das neue Layout angepasst wurde
24.09.2007 | Freizeitparks | Kolumnen

Herre sagt an: Macht die Ohren frei!


Viele Achterbahnen mit Überschlag sind mit den ungeliebten Schulterbügeln ausgestattet. Diese sollen nicht etwa das Herausfallen der Fahrgäste verhindern, sondern vielmehr die korrekte Körperhaltung erzwingen. Bei den oft anzutreffenden Querbeschleunigungen teilen mit derartigen Rückhaltesystemen ausgestattete Bahnen leider oft "Ohrfeigen" aus, was das Missfallen in der Fanszene erklärt. Doch seit einigen Jahren gibt es einen überraschenden Gegentrend zu den allgegenwärtigen Schulterbügeln.

Ausgerechnet der wenig beliebte Hersteller Vekoma fällt aktuell mit einem fast schon als sensationell einzustufenden Umbau-Angebot auf: Er bietet für seine Hängeachterbahnen, Modellbezeichnung "Suspended Looping Coaster", jetzt neuartige Sitze an, die sehr an die Züge der Familien-Hängeachterbahnen ohne Überschläge des gleichen Herstellers erinnern, nur dass hier der Oberkörper mittels einer Art Gummiweste in aufrechter Position gehalten wird. Ergo: Neben dem Kopf ist nichts mehr, was auf diesen einschlagen könnte. Vekoma SLCs, die von amerikanischen Achterbahnfans spöttisch "Hang ’n’ Bang" genannt werden, würden durch einen Umbau einen völlig neuen Fahrkomfort erhalten. Kein Wunder, dass allerorten nun die Hände zum Gebet gefaltet werden, dass möglichst viele Parks umrüsten. Denn die eigentlich spannende Streckenführung dieses Standardmodells wird leider durch unschöne Querbeschleunigungen und somit suboptimalen Fahrkomfort vermiest. Mit den innovativen Sitzen könnte bei diesen Bahnen eine ganz neue Qualität erreicht werden.

Der momentane Vorstoß des niederländischen Herstellers ist nicht der erste Fall eines Rückbaus von Rückhaltesystemen: Bereits vor sechs Jahren wurden auf den Katapultstart-Achterbahnen des US-Herstellers Premier-Rides die Schulterbügel entfernt und nur noch mit Schoßbügeln gefahren. Warum dies geschehen ist, darüber halten sich Hersteller und Parks bedeckt. Vermutungen, die Bahnen wären mit Schulterbügeln schlicht und ergreifend unfahrbar gewesen und die Beschwerden bezüglich Kopfschmerzen und Blutergüssen im Wangenknochen-Bereich wären den Parks zu viel geworden, kursierten zwar wie wild, wurden jedoch nie bestätigt. Aber: Wenn es ganz offensichtlich auch ohne geht, wieso werden die Schulterbügel dann überhaupt erst installiert? Sind es versicherungstechnische Gründe? Ist es aus Gründen des einfachen Handlings durch das Personal? Wer ist dafür verantwortlich, dass tolle Bahnen, wie z. B. Schwarzkopfs "Revolution" in Six Flags Magic Mountain, mit Schulterbügeln verunstaltet wurden? Wer ist dafür verantwortlich, dass Bahnen völlig ohne Überschlag, wie z. B. Alton Towers "Rita" oder Heide-Parks weitgehend baugleiche Bahn "Desert Race" mit Schulterbügel ausgestattet werden? Und woher kommt der Gegentrend? Freiwillig machen Parks so etwas sicherlich nicht. Und die Hersteller würden nichts anbieten, von dem sie nicht glauben, dass es eine ordentliche Nachfrage generieren würde.

Der deutsche Achterbahnbauer Maurer Söhne hat ebenfalls schon vor einigen Jahren das Potential des freieren, komfortableren Fahrgefühls erkannt und stellte auf der Euro Amusement Show 2004 in Paris erstmalig sein neues X-Car-System vor, bei dem die Passagiere lediglich von einem massiven Schoßbügel im Sitz gehalten werden. Hier sind sogar echte -1 g möglich, also langsame Überkopffahrten ohne jegliche positiven g-Kräfte. Ob das Überkopfgehänge in den verschiedenen Installationen dieses Achterbahntyps nun als komfortabel eingestuft werden kann, sei an dieser Stelle dahingestellt. Trotzdem muss jeder Achterbahnwagen, der ohne Schulterbügel auskommt, mit größter Lobpreisung empfangen werden. Denn Ohren sind zum Hören da. In diesem Sinne: Wir sehen uns im Park!





Bitte beachten
Die Texte der Kolumnen-Autoren sind deren persönliche Meinung und decken sich nicht zwangsläufig mit der Meinung der Redaktion Parkscout.

Autoreninfo Tim Herre

Tim Herre ist seit der Grundschulzeit absoluter Park- und Kirmesfan und in der deutschen Szene seit vielen Jahren eine feste Größe. In einschlägigen Freizeitpark-Foren ist Tim unter dem Pseudonym "The Knowledge" aktiv - und ebenso geliebt wie gehasst, geschätzt für sein Wissen und gefürchtet für seine spitze Feder. Dies wird noch zusätzlich durch die Tatsache aufgeladen, dass er nur selten gewillt scheint, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. International bekannt ist er durch seine Tätigkeit als freier Autor des Fachmagazins "Kirmes & Park Revue" und als Buchautor für die parkscout Freizeitführer "Freizeitparks in Europa". Im täglichen Leben ist der deutsche Repräsentant des "European Coaster Club" Texter und Konzepter bei einer großen Düsseldorfer Agentur.

© Parkscout / TH