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21.10.2005 | Freizeitparks | Kolumnen
Herre-san in Japan: Die Entdeckung der Langsamkeit
Im September 2005 ging es für unseren Kolumnisten in das Land der aufgehenden Sonne: Der European Coaster Club (ECC) hatte zusammen mit den American Coaster Enthusiasts (ACE) eine 14-tägige Freizeitpark-Tour nach Japan organisiert. Dort gibt es nicht nur die üblichen Achterbahnen und Karussels, sondern auch allerlei bemerkenswerte Kuriositäten zu bestaunen.
Gleich nach der Realisation der japanischen Horror-Liebe (siehe letzte Kolumne) wird einem ebenso schlagartig bewusst, dass die sprichwörtliche japanische Hektik sich nicht auf japanische Freizeitparks herunter bricht. Was sich auf den ersten Blick durchweg positiv anhört, offenbart jedoch durchaus seine Tücken – denn auch japanische Operator lassen sich nur zu gern von der Entdeckung der Langsamkeit anstecken und fertigen die Bahnen so gemütlich ab, dass es schon als Ärgernis gewertet werden kann.
Parallel dazu läuft ein 2-minütiger Film, der nochmals auf die mannigfaltigen NoGos hinweist und das zahlenmäßig stark vertretene Personal führt zum Beladungsprozedere eine Art Synchron-Pantomime auf, deren Sinn wohl auch den Japanern verschlossen bleibt, denn bei unserem Besuche konnte uns niemand der durchaus des Englischen mächtigen Asiaten erklären, was dieser Flugbegleiter-ähnliche Mummenschanz zu bedeuten hat. Dies alles zusammen führt dann zu einem absolut inakzeptablen 9-Minuten-Takt und somit zu einer geradezu lächerlichen Kapazität von 160 Personen pro Stunde. Dies resultierte bei mäßigem Andrang bereits in einer Wartezeit von 40 Minuten. Da die Bahn auch mit 2 Zügen betrieben werden kann ist es dem Schreiber dieser Zeilen ein komplettes Rätsel, wie diese merkbefreite Truppe einen Zweizugbetrieb jemals sinnvoll hinbekommen will.
Leider ist dies kein Einzelfall: Im Inselstaat wird überall in absolut hanebüchenem Tempo abgefertigt – wohltuende Ausnahme bilden lediglich die Tokyoter Disney-Parks und das "Dreamland" in Nara, wo das Personal mit halbwegs westlicher Dynamik zu Werke geht. Den Vogel abgeschossen haben während unserer Tour eindeutig die Bediensteten von „Pyrenees“, einem Inverted-Coaster im "Parque Espana": Alle 11 Minuten darf dort ein Zug den Bahnhof verlassen – das ist garantiert Weltrekord! Diesen erreichen die Japaner mit folgender Taktik: Zuerst müssen alle Fahrgäste Zug und Bahnhof verlassen. So weit, so normal. Dann werden alle Schulterbügel, welche aufgrund nicht mehr ganz neuer Gasdruck-Dämpfer nicht 100-ig waagerecht stehen, in einer der japanischen Perfektion gemäße, einstiegsfreundliche Position gebracht.
Anschließend kommt einer der insgesamt zwei Operator zu den vor dem Bahnhof wartenden Fahrwilligen. Folgender Dialog spielt sich nun leider weit mehr als einmal ab: "How many?" Die Gäste teilen dem Einweiser die Personenanzahl ihrer Gruppe mit. "Line number one, please." Daraufhin wird eine Kette geöffnet, die Fahrgäste zu Reihe Nummer eins gelassen. Sind diese dort angekommen – und wirklich erst dann – wiederholt der Op seine Frage: "How many?" und das Spiel beginnt von neuem. Das kann sich ziehen. Verdammt ziehen. Auch bei – wie bei unserem Besuch – sehr schwachem Andrang mit kaum mehr als 20 bis 30 Wartenden ist eine derartige Abfertigung nur schwer zu ertragen. Eine höhere Kapazität als "Thunder Dolphin" – und zwar sagenhafte 174 Personen die Stunde – erreicht die "Pyrenees"-Crew nur durch die mehr Passagiere fassenden Züge. Hoffen wir also, dass sich derartige Moden nicht hierzulande durchsetzen. In diesem Sinne: Wir sehen uns im Park!
Gleich nach der Realisation der japanischen Horror-Liebe (siehe letzte Kolumne) wird einem ebenso schlagartig bewusst, dass die sprichwörtliche japanische Hektik sich nicht auf japanische Freizeitparks herunter bricht. Was sich auf den ersten Blick durchweg positiv anhört, offenbart jedoch durchaus seine Tücken – denn auch japanische Operator lassen sich nur zu gern von der Entdeckung der Langsamkeit anstecken und fertigen die Bahnen so gemütlich ab, dass es schon als Ärgernis gewertet werden kann.
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Beispiel Top-Coaster "Thunder Dolphin" im Vergnügungs- und Shopping-Komplex "Tokyo Dome City" der japanischen Hauptstadt. Hier müssen die Fahrgäste alles, aber auch absolut alles aus ihren Taschen nehmen, Reißverschlusstaschen sind davon nicht ausgenommen. Auch Taschentücher werden nicht an Bord des Zuges geduldet. Sie haben eine winzige Papierfahrkarte der Tokyoter U-Bahn in der Gesäßtasche? Raus damit! Könnte ja schließlich sein, dass so ein 1-Gramm-Geschoss einen unter der Bahn shoppenden Japaner verletzt. Man wird dort regelrecht gefilzt, die Beladung des Zuges gleicht einer Sicherheitskontrolle am Flughafen Tokyo-Narita. Eine sinnvolle Regel wird maßlos überrissen, ad absurdum geführt und dadurch ihre Akzeptanz mit Füßen getreten.
Thunder Dolphin, Tokyo Dome City
Parallel dazu läuft ein 2-minütiger Film, der nochmals auf die mannigfaltigen NoGos hinweist und das zahlenmäßig stark vertretene Personal führt zum Beladungsprozedere eine Art Synchron-Pantomime auf, deren Sinn wohl auch den Japanern verschlossen bleibt, denn bei unserem Besuche konnte uns niemand der durchaus des Englischen mächtigen Asiaten erklären, was dieser Flugbegleiter-ähnliche Mummenschanz zu bedeuten hat. Dies alles zusammen führt dann zu einem absolut inakzeptablen 9-Minuten-Takt und somit zu einer geradezu lächerlichen Kapazität von 160 Personen pro Stunde. Dies resultierte bei mäßigem Andrang bereits in einer Wartezeit von 40 Minuten. Da die Bahn auch mit 2 Zügen betrieben werden kann ist es dem Schreiber dieser Zeilen ein komplettes Rätsel, wie diese merkbefreite Truppe einen Zweizugbetrieb jemals sinnvoll hinbekommen will.
Pyrenees, Parque Espana
Anschließend kommt einer der insgesamt zwei Operator zu den vor dem Bahnhof wartenden Fahrwilligen. Folgender Dialog spielt sich nun leider weit mehr als einmal ab: "How many?" Die Gäste teilen dem Einweiser die Personenanzahl ihrer Gruppe mit. "Line number one, please." Daraufhin wird eine Kette geöffnet, die Fahrgäste zu Reihe Nummer eins gelassen. Sind diese dort angekommen – und wirklich erst dann – wiederholt der Op seine Frage: "How many?" und das Spiel beginnt von neuem. Das kann sich ziehen. Verdammt ziehen. Auch bei – wie bei unserem Besuch – sehr schwachem Andrang mit kaum mehr als 20 bis 30 Wartenden ist eine derartige Abfertigung nur schwer zu ertragen. Eine höhere Kapazität als "Thunder Dolphin" – und zwar sagenhafte 174 Personen die Stunde – erreicht die "Pyrenees"-Crew nur durch die mehr Passagiere fassenden Züge. Hoffen wir also, dass sich derartige Moden nicht hierzulande durchsetzen. In diesem Sinne: Wir sehen uns im Park!
Bitte beachten
Die Texte der Kolumnen-Autoren sind deren persönliche Meinung und decken sich nicht zwangsläufig mit der Meinung der Redaktion Parkscout.
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Autoreninfo Tim Herre
Tim Herre ist seit der Grundschulzeit absoluter Park- und Kirmesfan und in der deutschen Szene seit vielen Jahren eine feste Größe. In einschlägigen Freizeitpark-Foren ist Tim unter dem Pseudonym "The Knowledge" aktiv - und ebenso geliebt wie gehasst, geschätzt für sein Wissen und gefürchtet für seine spitze Feder. Dies wird noch zusätzlich durch die Tatsache aufgeladen, dass er nur selten gewillt scheint, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. International bekannt ist er durch seine Tätigkeit als freier Autor des Fachmagazins "Kirmes & Park Revue" und als Buchautor für die parkscout Freizeitführer "Freizeitparks in Europa". Im täglichen Leben ist der deutsche Repräsentant des "European Coaster Club" Texter und Konzepter bei einer großen Düsseldorfer Agentur.
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