13.03.2013 | Magazin | Zoos und Tierparks
Theming-Konzepte für Zoos
Klaus-Michael Machens, ehemaliger Direktor des Erlebnis-Zoo Hannover, ist heute Präsident des VDFU Verband Deutscher Freizeitparks und Freizeitunternehmen e.V. sowie Geschäftsführer der Unternehmensberatung K-M-M in Hildesheim. Wir haben mit dem studierten Rechtswissenschaftler über die Konzeption von thematisierten Erlebniswelten in Zoos und die Zukunftsaussichten deutscher Tierparks gesprochen.
Parkscout:
Wie kam es zu der Idee der Einbindung von Erlebnisarchitektur in die klassische Tierhaltung? Gab es Vorbilder, auf die Sie seinerzeit zurück greifen konnten?
Klaus-Michael Machens:
Den Anstoß, die Tiere in Themenwelten zu präsentieren, hat 1995 Prof. Heinz Rico Scherrieb gegeben. Wir haben uns dann insbesondere in den USA Zoos mit besonders innovativ gestalteten Anlagen angesehen. Insbesondere der damals neue afrikanische Bereich im Bronx Zoo und die Dschungelhalle waren für uns Benchmarks. Animal Kingdom wurde ja erst 1998 eröffnet. Wir hatten aber auch keine Berührungsängste, uns durch thematisierte Freizeitparks wie zum Beispiel Disney inspirieren zu lassen. Dabei ging es darum, die grundsätzlichen Funktionsmechanismen von Themenbereichen zu analysieren, um diese dann bei unseren Planungen zu berücksichtigen.
Parkscout:
Die Pläne für die Umstrukturierung des Zoo Hannover in eine Erlebniswelt fand unter ihren Kollegen am Anfang ja ein sehr geteiltes Echo. Langfristig hat der Erfolg Ihnen offensichtlich mehr als Recht gegeben, und einige Zoos haben das Konzept ja inzwischen auch übernommen. Gibt es langsam ein Umdenken in den deutschen Zoos?
Klaus-Michael Machens:
Nachdem die Kollegen gemerkt hatten, dass wir durch die neuen Themenwelten die Qualität unserer Tierhaltung und zoologischen Arbeit deutlich verbessern konnten, hat sich die anfängliche Skepsis doch bald verflüchtigt. Was nicht heißt, dass man unsere Gestaltungsprinzipien auf breiter Front übernommen hätte. Nur Leipzig und Gelsenkirchen haben, ebenfalls inspiriert durch Prof. Scherrieb, die Idee der Themenwelten aufgegriffen. Wobei man bei einem Vergleich der Zoos in Hannover, Leipzig und Gelsenkirchen nicht nur Unterschiede in der Wahl der Themen, sondern auch in dem grundsätzlichen Verständnis von Thematisierung feststellen wird. Was aber unverkennbar ist: Freizeitparktechnologien wie etwa künstliche Felsen und Bäume haben in vielen deutschen Zoos Einzug gehalten.
Der vollständige Text dieses Artikels ist erschienen in der parkscout | plus-Ausgabe.
Parkscout:
Kritiker werfen dem Erlebniskonzept gerne vor, dass dabei der Bildungsauftrag von Zoos auf der Strecke bleibt. Auf der anderen Seite erleben Tierparks mit Erlebnischarakter signifikante Zuwächse bei den Besucherzahlen. Wie passt das zusammen?
Klaus-Michael Machens:
Bildung und Erleben passen hervorragend zusammen. Je tiefer der Besucher emotional in die Erlebniswelten eintaucht, umso mehr wird er sich für die Informationen und Botschaften interessieren, die ihm darin angeboten werden. Leider wird immer wieder der Fehler gemacht, die Wissensvermittlung quasi außerhalb des Storyboards der Themenwelt zu erzählen. Viel zu oft "riechen" Bildungsangebote in Zoos noch unangenehm nach Schule. In der Sprache von Schulbüchern werden Lernkapitel angeboten. Ungeschrieben kann man da lesen: "Spaßfreie Zone!" Entsprechend negativ ist auch die Effizienz dieser absenderorientierten Bildungsangebote. Es gibt in Deutschland wohl keinen Zoo, der ein so differenziertes und erfolgreiches Bildungskonzept hat wie der Zoo Hannover.
Parkscout:
Zu den stärksten Konkurrenten von Zoos gehören Freizeitparks. International werden die Grenzen zwischen diesen beiden Freizeitdestinationen immer stärker aufgeweicht. In einigen Parks der Merlin-Entertainments-Gruppe gibt es inzwischen Sea-Life-Centren, und in Disney's Animal Kingdom erwartet die Besucher neben den Tieren auch eine gewaltige Achterbahn. Können Fahrgeschäfte in deutschen Zoos langfristig eine Option sein, um neue Besucher zu generieren?
Klaus-Michael Machens:
Mit der Reise auf dem Sambesi bietet der Zoo Hannover dem Besucher das Vergnügen einer Bootsfahrt und erreicht dabei gleichzeitig eine konzentrierte und intensive Tierbegegnung wie sonst selten. Ich könnte mir auch noch andere Fahrgeschäfte vorstellen, die sich mit dem Tiererlebnis unmittelbar verbinden ließen wie beispielsweise eine Zugfahrt durch eine Landschaft mit Tieren oder eine Fahrt mit dem U-Boot durch ein Aquarium. Wenn man sehr viel Platz hat, könnte man sich auch eine Achterbahn in einem Zoo vorstellen. Aber bitte nur in Bereichen, die von den Tieren völlig abgetrennt sind.
Parkscout:
Wie sehen Sie die Zukunft der deutschen Zoos im internationalen Vergleich? Und welche Entwicklung würden Sie sich selbst diesbezüglich wünschen?
Klaus-Michael Machens:
Zoologisch stehen die deutschen Zoos im internationalen Vergleich sehr gut da. Anders sieht es bei der Besucherorientierung aus. Da ist trotz aller Fortschritte noch viel Luft nach oben. Es sollte endlich Schluss sein mit dem gern gepflegten Irrtum, die Besucher kämen aus den gleichen Gründen in den Zoo, aus denen er betrieben wird. Zoos haben zu Recht einen kulturellen Auftrag. Der weit überwiegende Teil der Besucher kommt allerdings aus Freizeitinteresse. Zoos, die erkennen, dass diese zunächst gegensätzlichen Zielsetzungen sich zum beiderseitigen Vorteil zusammenfügen lassen, werden gewinnen. Das setzt aber voraus, dass in den Zoos und bei den entscheidenden Politikern nicht nur wissenschaftliche und praktische Erkenntnisse aus der Zoologie, sondern ebensolche aus der Freizeit-, Kommunikations- und Marktforschung ernst genommen werden.
Parkscout:
Wie kam es zu der Idee der Einbindung von Erlebnisarchitektur in die klassische Tierhaltung? Gab es Vorbilder, auf die Sie seinerzeit zurück greifen konnten?
Klaus-Michael Machens:
Den Anstoß, die Tiere in Themenwelten zu präsentieren, hat 1995 Prof. Heinz Rico Scherrieb gegeben. Wir haben uns dann insbesondere in den USA Zoos mit besonders innovativ gestalteten Anlagen angesehen. Insbesondere der damals neue afrikanische Bereich im Bronx Zoo und die Dschungelhalle waren für uns Benchmarks. Animal Kingdom wurde ja erst 1998 eröffnet. Wir hatten aber auch keine Berührungsängste, uns durch thematisierte Freizeitparks wie zum Beispiel Disney inspirieren zu lassen. Dabei ging es darum, die grundsätzlichen Funktionsmechanismen von Themenbereichen zu analysieren, um diese dann bei unseren Planungen zu berücksichtigen.
Parkscout:
Die Pläne für die Umstrukturierung des Zoo Hannover in eine Erlebniswelt fand unter ihren Kollegen am Anfang ja ein sehr geteiltes Echo. Langfristig hat der Erfolg Ihnen offensichtlich mehr als Recht gegeben, und einige Zoos haben das Konzept ja inzwischen auch übernommen. Gibt es langsam ein Umdenken in den deutschen Zoos?
Klaus-Michael Machens:
Nachdem die Kollegen gemerkt hatten, dass wir durch die neuen Themenwelten die Qualität unserer Tierhaltung und zoologischen Arbeit deutlich verbessern konnten, hat sich die anfängliche Skepsis doch bald verflüchtigt. Was nicht heißt, dass man unsere Gestaltungsprinzipien auf breiter Front übernommen hätte. Nur Leipzig und Gelsenkirchen haben, ebenfalls inspiriert durch Prof. Scherrieb, die Idee der Themenwelten aufgegriffen. Wobei man bei einem Vergleich der Zoos in Hannover, Leipzig und Gelsenkirchen nicht nur Unterschiede in der Wahl der Themen, sondern auch in dem grundsätzlichen Verständnis von Thematisierung feststellen wird. Was aber unverkennbar ist: Freizeitparktechnologien wie etwa künstliche Felsen und Bäume haben in vielen deutschen Zoos Einzug gehalten.
Der vollständige Text dieses Artikels ist erschienen in der parkscout | plus-Ausgabe.
Parkscout:
Kritiker werfen dem Erlebniskonzept gerne vor, dass dabei der Bildungsauftrag von Zoos auf der Strecke bleibt. Auf der anderen Seite erleben Tierparks mit Erlebnischarakter signifikante Zuwächse bei den Besucherzahlen. Wie passt das zusammen?
Klaus-Michael Machens:
Bildung und Erleben passen hervorragend zusammen. Je tiefer der Besucher emotional in die Erlebniswelten eintaucht, umso mehr wird er sich für die Informationen und Botschaften interessieren, die ihm darin angeboten werden. Leider wird immer wieder der Fehler gemacht, die Wissensvermittlung quasi außerhalb des Storyboards der Themenwelt zu erzählen. Viel zu oft "riechen" Bildungsangebote in Zoos noch unangenehm nach Schule. In der Sprache von Schulbüchern werden Lernkapitel angeboten. Ungeschrieben kann man da lesen: "Spaßfreie Zone!" Entsprechend negativ ist auch die Effizienz dieser absenderorientierten Bildungsangebote. Es gibt in Deutschland wohl keinen Zoo, der ein so differenziertes und erfolgreiches Bildungskonzept hat wie der Zoo Hannover.
Parkscout:
Zu den stärksten Konkurrenten von Zoos gehören Freizeitparks. International werden die Grenzen zwischen diesen beiden Freizeitdestinationen immer stärker aufgeweicht. In einigen Parks der Merlin-Entertainments-Gruppe gibt es inzwischen Sea-Life-Centren, und in Disney's Animal Kingdom erwartet die Besucher neben den Tieren auch eine gewaltige Achterbahn. Können Fahrgeschäfte in deutschen Zoos langfristig eine Option sein, um neue Besucher zu generieren?
Klaus-Michael Machens:
Mit der Reise auf dem Sambesi bietet der Zoo Hannover dem Besucher das Vergnügen einer Bootsfahrt und erreicht dabei gleichzeitig eine konzentrierte und intensive Tierbegegnung wie sonst selten. Ich könnte mir auch noch andere Fahrgeschäfte vorstellen, die sich mit dem Tiererlebnis unmittelbar verbinden ließen wie beispielsweise eine Zugfahrt durch eine Landschaft mit Tieren oder eine Fahrt mit dem U-Boot durch ein Aquarium. Wenn man sehr viel Platz hat, könnte man sich auch eine Achterbahn in einem Zoo vorstellen. Aber bitte nur in Bereichen, die von den Tieren völlig abgetrennt sind.
Parkscout:
Wie sehen Sie die Zukunft der deutschen Zoos im internationalen Vergleich? Und welche Entwicklung würden Sie sich selbst diesbezüglich wünschen?
Klaus-Michael Machens:
Zoologisch stehen die deutschen Zoos im internationalen Vergleich sehr gut da. Anders sieht es bei der Besucherorientierung aus. Da ist trotz aller Fortschritte noch viel Luft nach oben. Es sollte endlich Schluss sein mit dem gern gepflegten Irrtum, die Besucher kämen aus den gleichen Gründen in den Zoo, aus denen er betrieben wird. Zoos haben zu Recht einen kulturellen Auftrag. Der weit überwiegende Teil der Besucher kommt allerdings aus Freizeitinteresse. Zoos, die erkennen, dass diese zunächst gegensätzlichen Zielsetzungen sich zum beiderseitigen Vorteil zusammenfügen lassen, werden gewinnen. Das setzt aber voraus, dass in den Zoos und bei den entscheidenden Politikern nicht nur wissenschaftliche und praktische Erkenntnisse aus der Zoologie, sondern ebensolche aus der Freizeit-, Kommunikations- und Marktforschung ernst genommen werden.
© parkscout/MV