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Bitte beachten: Dieses ist ein klassischer Parkscout-Artikel, der bestmöglichst an das neue Layout angepasst wurde
12.10.2006 | Freizeitparks | Kolumnen

Vester vs. Herre Folge 10: Geisterschloss


Immer freitags nahmen sich Mike Vester und Tim Herre eine Attraktion vor und "beschrieben" sie auf ihre gewohnt liebenswerte Art und Weise. Und das Beste daran: Sie, liebe Leser, durften sich für die Meinung eines der Kontrahenten entscheiden und auch Ihre Meinung dazu kund tun.

Tipp: Weitere Folgen sowie ältere Kolumnenbeiträge unserer Redakteure finden Sie  hier



Folge 10
Geisterschloss

Das Geisterschloss ist eine Themenfahrt, die sich über zwei Etagen erstreckt und vom Europa-Park 1982 eröffnet wurde. Ein Endlossystem mit insgesamt 70 Gondeln für je zwei Personen (das eine theoretische Kapazität von 2500 Besuchern pro Stunde verspricht) führt vorbei an mehr als 100 beweglichen Puppen in verschiedenen Szenen. Die Atmosphäre ist ein wenig gespenstisch und unheimlich gehalten, und kleinere Kinder mögen sich in dieser Dunkelheit auch tatsächlich fürchten – doch wirklich erschreckende Momente gibt es während der rund 3-minütigen und 192 m langen (von MACK Rides entwickelten) Fahrt nicht.

Mike Vester meint:

 

Tim Herre meint:

Daß Freizeitparks ganz allgemein oft und gerne bei Disney abkupfern, ist ja hinlänglich bekannt – keine Piratenfahrt kommt ohne eindeutige Verweise auf deren karibischen Klassiker aus. Im Falle des Geisterschloß, das sich sowohl bei der Pre-Show als auch bei einigen Szenen recht deutlich an Disney's Haunted Mansion (in Paris: Phantom Manor) anlehnt, kann sich die Ruster Variante allerdings keine Sekunde lang mit dem Original messen. Dies liegt nicht nur an der technisch schlechteren Ausführung, sondern vor allem daran, daß hier auf eine geheimnisvolle und atmosphärische Storyline, welche die einzelnen Szenen verbindet, verzichtet wurde. Und genau das ist das Hauptproblem, wenn man das Geisterschloß als Themenfahrt sieht. Man erlebt hier ein zusammenhangloses Sammelsurium, das von Skelettkronenleuchtern über einen elektrischen Stuhl bis hin zu einer Ballsaalszene reicht. Ein Gesamtkonzept sucht man vergebens: Anstatt mystischer Stimmung ist hier vom Anfang bis zum Ende eine völlig unnötige Reizüberflutung angesagt. Natürlich kann man das ganze auch nicht als Themenfahrt, sondern als aufwendig gestaltete Geisterbahn sehen. Aber selbst unter diesem Aspekt überzeugt mich die Anlage nicht wirklich, da die größtenteils recht helle Beleuchtung und das eingesetzte Endlosfahrsystem nicht allzu viele Schreckeffekte erlauben. Sicher bin ich auf der einen Seite stark Disney-vorbelastet und Kollege Herre findet auf der anderen Seite sowieso alles gut, was auch nur ansatzweise "buh!" macht. Trotzdem denke ich, daß das Geisterschloß nicht Fisch und nicht Fleisch ist und der Europa-Park mit der Attraktion einen Kompromiß eingegangen ist, der nicht nötig gewesen wäre, wenn man mehr in die Entwicklung eines eigenen Konzeptes für die Bahn investiert hätte – genug Potential wäre zweifellos vorhanden gewesen.   Irgendwie kann ich den armen Vester ja verstehen: Da erdreistet sich ausgerechnet der viel zu erfolgreiche Europa-Park, Mikes Augäpfelchen Disney ein bewährttes Dark-Ride-Konzept abzukupfern. Inklusive Endlossystem, Fahrstuhl-Auftakt und den teilweise identischen optischen Tricks im Wartebereich und sogar während der Fahrt. Da kann man schon mal so richtig sauer werden.
Besonders dann, wenn es so gut geschieht, wie in Rust. Denn auch in der badischen Tiefebene gilt: Besser gut geklaut, als schlecht selbst gemacht – und mit Eigeninitiative fällt man beim Disney-Propagandaminister Mike V. ja ohnehin auch in Ungnade, siehe Mystery Warehouse. Da frage ich mich doch gleich, was mein geschätzter Kollege eigentlich will. Denn ich finde am EP’schen Geisterschloss wirklich nichts auszusetzen – die geklaute Idee hin oder her. Die Figuren von Mordelt und Hofmann bewegen sich allesamt auf hohem Niveau, die Kulissen sind stimmungsvoll, und im Gegensatz zur Weichspül-Geisterbahn von Disney gibt es hier sogar Splatter, Gore und einige saftige Schockeffekte – so gut, wie das bei einem Endlossystem eben geht. Die naturgemäß hervorragende Kapazität der Anlage wird mit dem Andrang im immervollen Europa-Park gut fertig und die Bahn integriert sich vorbildlich in den italienischen Themenbereich.
Lediglich die fehlende Länge kann man dem Geisterschloss zum Vorwurf machen: Wenn die Stimmung erstmal aufgebaut ist, neigt sich die schöne Fahrt leider viel zu früh dem Ende zu. Und sicherlich sind die Figuren bei Phantom Manor/Haunted Mansion noch eine Klasse besser – doch man darf auch nicht aus dem Augen verlieren, dass die Familie Mack zwar einen gut gehenden Freizeitpark betreibt, nicht jedoch einen millionenschweren Konzern mit hoch bezahlten Imagineers im Rücken hat. Das scheint unser Mäusefreund aus Velbert nämlich immer wieder zu vergessen. So, wie auch hier.



Bitte beachten
Die Texte der Kolumnen-Autoren sind deren persönliche Meinung und decken sich nicht zwangsläufig mit der Meinung der Redaktion Parkscout.

Autoreninfo Mike Vester

Mike Vester beschäftigt sich bereits seit seiner Jugend mit dem Thema Freizeitparks / Kirmes und gehört heute zu den wichtigsten Autoren der Parkscout-Fachredaktion. Sein Hang zu Polemik und Übertreibungen ist zwar legendär, aber wer genau hinhört, merkt schnell, daß er mit seinem Motto "zeitlos, stillos, geschmacklos" zwischen den Zeilen immer genau den Punkt trifft. Der frühere Kleinkunst-Texter ist überzeugter Fan von allem, was mit dem Thema "Disney" zu tun hat und läßt dies auf seine liebenswert schrullige Art auch sicherlich öfter in seine Kolumne einfließen. In diesem Sinne also: Immer vester druff...

Autoreninfo Tim Herre

Tim Herre ist seit der Grundschulzeit absoluter Park- und Kirmesfan und in der deutschen Szene seit vielen Jahren eine feste Größe. In einschlägigen Freizeitpark-Foren ist Tim unter dem Pseudonym "The Knowledge" aktiv - und ebenso geliebt wie gehasst, geschätzt für sein Wissen und gefürchtet für seine spitze Feder. Dies wird noch zusätzlich durch die Tatsache aufgeladen, dass er nur selten gewillt scheint, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. International bekannt ist er durch seine Tätigkeit als freier Autor des Fachmagazins "Kirmes & Park Revue" und als Buchautor für die parkscout Freizeitführer "Freizeitparks in Europa". Im täglichen Leben ist der deutsche Repräsentant des "European Coaster Club" Texter und Konzepter bei einer großen Düsseldorfer Agentur.

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