26.04.2013 | Magazin | Zoos und Tierparks
Carl Hagenbeck, Teil 1
Der Name Carl Hagenbeck ist in der Zoowelt vor allem bekannt für seine visionären Ideen im Sinne einer möglichst naturnahen und gitterlosen Tierhaltung. Im Jahr 2013 jährt sich der Tod des weltbekannten Hamburger Zoodirektors zum 100. Mal – für Parkscout Grund genug, einmal einen genaueren Blick auf sein Leben zu werfen.
Das Interesse für wilde Tiere war Hagenbeck fast schon in die Wiege gelegt: Sein Vater, ein Hamburger Fischgroßhändler begann bereits ab 1848, also knapp vier Jahre nach Klein-Carls Geburt, mit der Ausstellung verschiedener Tierarten. Den Anfang machten, wie Hagenbeck selbst in seiner 1909 veröffentlichten Biografie "Von Tieren und Menschen" schreibt, zwei große Waschbottiche. In diesen wurden im genannten Jahr sechs Seehunde ausgestellt, die Finkenwerder Störfischer dem Vater von einem Angelzug mitgebracht hatten. Für einen Schilling konnten sich die Hamburger damals die Tiere auf dem Spielbudenplatz in St. Pauli ansehen - freilich nicht ahnend, dass sie damit gewissermaßen der Grundsteinlegung moderner Zooarchitektur beiwohnten. Zunächst einmal bildeten die Seehunde aber nur den Anfang der väterlichen Tierhandlung. Im Zuge der politischen Wirren des deutschen Revolutionsjahres, die spurlos an dem Hagenbeck'schen Geschäft vorüber gegangen waren, wurde schließlich ein Verkauf der Tiere unumgänglich. Mit der Übergabe der Seehunde an einen Berliner Unternehmer war der erste Schritt von der Tierausstellung zur Tierhandlung getan.
Zeitgleich mit der Ausweitung von Tierhandel und Tierschau brach sich allerdings auch ein weiteres, und – zumindest aus heutiger Sicht – dunkleres Kapitel in der Hagenbeck'schen Lebensgeschichte Bahn. Ab 1874 war das ehemalige Gelände des Tierparks auch Schauplatz für sogenannte Völkerschauen, die auf ein breites Zuschauerinteresse stießen. Nicht mehr nur wilde Tiere, sondern auch die zum jeweiligen Erdteil gehörenden vermeintlich "wilden" Menschen bevölkerten nun den Zoo. Mit dieser Art der Darstellung fremden Lebens kam Hagenbeck in Deutschland eine Vorreiterrolle zu, die im Laufe der Zeit ihre Nachahmer fand. Die erste Ausstellung dieser Art geht zurück auf eine Idee des mit Hagenbeck befreundeten Tiermalers Heinrich Leutemann. Dieser riet dem in einer wirtschaftlichen Krise befindlichen Zoodirektor, zusammen mit einigen Rentieren, die aus Lappland importiert werden sollten, auch eine Gruppe Samen nach Deutschland reisen zu lassen. Die Idee feierte durchschlagenden Erfolg und war der Anfang für eine Reihe weiterer Völkerschauen.
Zwar wurde diese aufgrund der schlechten Erfahrung gegen die Pocken geimpft – aber nicht gegen Masern, Lungenentzündungen und Schwindsucht. Fünf Mitglieder der Truppe fielen diesen Krankheiten zum Opfer. Hagenbeck bekundete daraufhin seine Absicht "nie wieder Menschen Ausstellungen zu arrangieren", wie er in einem Brief an Johann Adrian Jacobsen, einen Norweger, der bereits die besagten Inuit für Hagenbeck angeworben hatte, bekundete. Aber: The Show must go on – ein Jahr später reisten zusammen mit einer Gruppe von Arbeitselefanten aus Ceylon, dem heutigen Sri Lanka, auch einheimische Elefantenführer an. Die sogenannten Mahouts kümmerten sich um die Tiere und gehörten nicht den Völkerschauen an.
Sicherlich sind diese Völkerschauen im Kontext ihrer Zeit zu sehen, sicherlich ist zu berücksichtigen, dass sie eine der wenigen Möglichkeiten boten, sich überhaupt über fremde Weltteile zu erkundigen – Reisen waren in jenen Zeiten noch gefährlich und für die Mehrheit finanziell nicht erschwinglich, und auch das Kino trat erst allmählich seinen Siegeszug an. Parallel dazu versuchten europäische Großmächte, zu denen sich auch Deutschland gezählt wissen wollte, sich getreu dem biblischen Motto die Erde untertan zu machen. Die Wissenschaft an der Schwelle zum 20. Jahrhundert schließlich gab sich Mühe, anhand von Vermessungen des Körpers menschliche "Rassen" zu definieren und diese in eine möglichst hierarchische Reihenfolge zu bringen.
Natürlich – inwieweit auch die Hagenbeck'schen Völkerschauen dazu dienten, die Überlegenheit der weißen "Rasse" anhand der Darstellung gängiger Klischees zu veranschaulichen, kann vom heutigen Standpunkt nicht mehr zweifelsfrei beurteilt werden. Dennoch kann man sicherlich sagen, dass die Praktik der Menschenausstellung ein nicht allzu gutes Licht auf den in sonstigen Belangen herausragenden Menschen Carl Hagenbeck wirft. Bei allem wissenschaftlichen Interesse, das vor allem durch die Untersuchungen des Arztes Rudolf Virchow untermalt wurde – ein fader Beigeschmack bleibt.
Lesen Sie hier den zweiten Teil der Biographie über Carl Hagenbeck
Das Interesse für wilde Tiere war Hagenbeck fast schon in die Wiege gelegt: Sein Vater, ein Hamburger Fischgroßhändler begann bereits ab 1848, also knapp vier Jahre nach Klein-Carls Geburt, mit der Ausstellung verschiedener Tierarten. Den Anfang machten, wie Hagenbeck selbst in seiner 1909 veröffentlichten Biografie "Von Tieren und Menschen" schreibt, zwei große Waschbottiche. In diesen wurden im genannten Jahr sechs Seehunde ausgestellt, die Finkenwerder Störfischer dem Vater von einem Angelzug mitgebracht hatten. Für einen Schilling konnten sich die Hamburger damals die Tiere auf dem Spielbudenplatz in St. Pauli ansehen - freilich nicht ahnend, dass sie damit gewissermaßen der Grundsteinlegung moderner Zooarchitektur beiwohnten. Zunächst einmal bildeten die Seehunde aber nur den Anfang der väterlichen Tierhandlung. Im Zuge der politischen Wirren des deutschen Revolutionsjahres, die spurlos an dem Hagenbeck'schen Geschäft vorüber gegangen waren, wurde schließlich ein Verkauf der Tiere unumgänglich. Mit der Übergabe der Seehunde an einen Berliner Unternehmer war der erste Schritt von der Tierausstellung zur Tierhandlung getan.
Erste Ausstellungen von Carl Hagenbeck
Im Laufe der folgenden Jahre nahmen sowohl der Tierhandel als auch die Tierausstellung allmählich an Umfang zu und auch der junge Carl Hagenbeck wuchs immer weiter in seine künftige Berufung hinein. Mit 15 Jahren übernahm er zunächst kleinere, dann immer größere Aufgaben im väterlichen Geschäft, bis er dieses mit 22 Jahren schließlich übernahm. Der junge Mann erkannte schnell die Vorliebe seiner Zeitgenossen für alles Exotische und baute die kleine Ausstellung mehr und mehr zu einer großen Tierschau mit vielen fremdländischen Tieren aus, für die er bis zu fünf Expeditionen pro Jahr in die entlegensten Erdteile schickte. Vertreter immer neuer Arten fanden so den Weg nach Deutschland. Diese dienten aber nicht nur zu Ausstellungszwecken, auch der Tierhandel nahm unter des jungen Hagenbecks Leitung Fahrt auf. Zoos sowie gut betuchte Privatleute wurden mit Wildtieren aller Art beliefert. So hatte Carl Hagenbeck beispielsweise bereits 1862 während eines Besuchs auf der Antwerpener Tierauktion Kontakte mit dem Kölner Zoo geknüpft und erste Tausch- und Kaufhandlungen in die Wege geleitet.Zeitgleich mit der Ausweitung von Tierhandel und Tierschau brach sich allerdings auch ein weiteres, und – zumindest aus heutiger Sicht – dunkleres Kapitel in der Hagenbeck'schen Lebensgeschichte Bahn. Ab 1874 war das ehemalige Gelände des Tierparks auch Schauplatz für sogenannte Völkerschauen, die auf ein breites Zuschauerinteresse stießen. Nicht mehr nur wilde Tiere, sondern auch die zum jeweiligen Erdteil gehörenden vermeintlich "wilden" Menschen bevölkerten nun den Zoo. Mit dieser Art der Darstellung fremden Lebens kam Hagenbeck in Deutschland eine Vorreiterrolle zu, die im Laufe der Zeit ihre Nachahmer fand. Die erste Ausstellung dieser Art geht zurück auf eine Idee des mit Hagenbeck befreundeten Tiermalers Heinrich Leutemann. Dieser riet dem in einer wirtschaftlichen Krise befindlichen Zoodirektor, zusammen mit einigen Rentieren, die aus Lappland importiert werden sollten, auch eine Gruppe Samen nach Deutschland reisen zu lassen. Die Idee feierte durchschlagenden Erfolg und war der Anfang für eine Reihe weiterer Völkerschauen.
Tödliche Krankheiten
Besonders traurige Berühmtheit erlangte dabei eine Schau aus dem Jahr 1880, in der acht Inuit – Männer, Frauen und Kinder – ausgestellt wurden. Zunächst ging alles seinen gewohnten Gang, Auftritten in Hamburg folgten Reisen nach Berlin, Prag, Frankfurt, Darmstadt, Krefeld und Paris. Dann aber wendete sich das Blatt. Die Inuit waren ohne ausreichenden Impfschutz nach Deutschland eingereist, eine Nachlässigkeit, die sich nun grausam rächen sollte. Innerhalb weniger Wochen starben alle acht Menschen an Pocken. Hagenbeck zeigte sich zunächst tief betroffen, von einer Abkehr vom Prinzip der Menschenausstellung konnte allerdings keine Rede sein. Schon zwei Wochen später kam eine Gruppe von Feuerländern ins Land.Zwar wurde diese aufgrund der schlechten Erfahrung gegen die Pocken geimpft – aber nicht gegen Masern, Lungenentzündungen und Schwindsucht. Fünf Mitglieder der Truppe fielen diesen Krankheiten zum Opfer. Hagenbeck bekundete daraufhin seine Absicht "nie wieder Menschen Ausstellungen zu arrangieren", wie er in einem Brief an Johann Adrian Jacobsen, einen Norweger, der bereits die besagten Inuit für Hagenbeck angeworben hatte, bekundete. Aber: The Show must go on – ein Jahr später reisten zusammen mit einer Gruppe von Arbeitselefanten aus Ceylon, dem heutigen Sri Lanka, auch einheimische Elefantenführer an. Die sogenannten Mahouts kümmerten sich um die Tiere und gehörten nicht den Völkerschauen an.
Wild-West-Shows von Hagenbeck
Die erfolgreichste der Hagenbeck'schen Völkerschauen war allerdings die 1910 veranstaltete Wild-West-Show, die der Hamburger Zoodirektor allerdings erst auf Drängen Jacobsens initiierte. Mit dem Hinweis, Indianer seinen nur schwer zu beaufsichtigen und könnten aufgrund ihrer Kenntnis der englischen Sprache Kontakt zum Publikum aufnehmen – was mit Hinblick auf die gewünschte Illusion vom edlen Wilden nicht gewünscht war – hatte Hagenbeck von dieser Idee zunächst Abstand genommen. Schließlich durften sich die Zoobesucher aber doch auf 42 Sioux-Indianer freuen, die zusammen mit 10 Cowboys den Wilden Westen nach Hamburg brachten. Die "Gäste" aus South Dakota zogen schließlich mehr als eine Million Besucher an.Sicherlich sind diese Völkerschauen im Kontext ihrer Zeit zu sehen, sicherlich ist zu berücksichtigen, dass sie eine der wenigen Möglichkeiten boten, sich überhaupt über fremde Weltteile zu erkundigen – Reisen waren in jenen Zeiten noch gefährlich und für die Mehrheit finanziell nicht erschwinglich, und auch das Kino trat erst allmählich seinen Siegeszug an. Parallel dazu versuchten europäische Großmächte, zu denen sich auch Deutschland gezählt wissen wollte, sich getreu dem biblischen Motto die Erde untertan zu machen. Die Wissenschaft an der Schwelle zum 20. Jahrhundert schließlich gab sich Mühe, anhand von Vermessungen des Körpers menschliche "Rassen" zu definieren und diese in eine möglichst hierarchische Reihenfolge zu bringen.
Natürlich – inwieweit auch die Hagenbeck'schen Völkerschauen dazu dienten, die Überlegenheit der weißen "Rasse" anhand der Darstellung gängiger Klischees zu veranschaulichen, kann vom heutigen Standpunkt nicht mehr zweifelsfrei beurteilt werden. Dennoch kann man sicherlich sagen, dass die Praktik der Menschenausstellung ein nicht allzu gutes Licht auf den in sonstigen Belangen herausragenden Menschen Carl Hagenbeck wirft. Bei allem wissenschaftlichen Interesse, das vor allem durch die Untersuchungen des Arztes Rudolf Virchow untermalt wurde – ein fader Beigeschmack bleibt.
Lesen Sie hier den zweiten Teil der Biographie über Carl Hagenbeck
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