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Man schreibt das Jahr 1780: Im Heiligen Römischen Reich verursachen der Dualismus zwischen Preußen und Österreich sowie das Denken der Aufklärung Kontroversen über eine Lockerung des Reichsverbandes und über die Idee der Gleichheit aller Menschen, in Südamerika kommt es zu einem großen Indianeraufstand unter José Gabriel Condorcanqui, Johann Wolfgang von Goethe schreibt "Wanderers Nachtlied" und die persische Region Täbris wird von einem Erdbeben verwüstet. Und: in Hanau, heute zu Hessen gehörig, wird ein Karussell gebaut.
Bereits ein Jahr zuvor war die nach dem Erbprinzen und regierenden Grafen von Hanau, Wilhelm IX./I. von Hessen-Kassel, benannte Bade- und Parkanlage Wilhelmsbad in Hanau eröffnet worden, und schon zu Beginn erfreute sich das Fahrgeschäft einer großen Beliebtheit nicht nur bei den kleinen, sondern auch und gerade bei den großen Besuchern. Damals war ein Karussell nämlich noch alles andere als ein Kinderspielgerät. Noch heute erinnern Synonyme, wie das im süddeutschen Raum verwendete "Reitschule" oder das vor allem in Österreich benutzte "Ringelspiel" an die ursprüngliche Funktion der früher wie heute beliebten Fahrgeschäfte.
Um diese zu begreifen, müssen wir einen kurzen Abstecher ins Mittelalter unternehmen. Damals nämlich diente ein Vorläufer des heutigen Karussells der Ausbildung und dem Training der Ritter. Auf einer sich drehenden Plattform sitzend mussten diese versuchen, die rund um dieses "Karussell" angeordneten Ringe mit ihrer Lanze zu treffen. Genau dieses "Ringelspiel" gehörte auch zum Angebot des Hanauer Karussells. Darüber hinaus konnte man hier aber auch einen Drachen mit der Lanze töten, Bälle in den aufgerissenen Mund eines Mohren werfen oder – auch dies war seinerzeit vor dem Hintergrund der jahrhundertelangen Auseinandersetzungen zwischen Ost und West ein beliebter Zeitvertreib – Türkenköpfe absäbeln.
Inspiration für Goethe
Gerade die gehobene Gesellschaft gefiel sich in jenen Ritterspielen, und die begleitenden Damen konnten bequem in den Kutschen Platz nehmen und so am Geschehen teilhaben. Das Angebot im Hanauer Karussell ließ selbst die Prominenz dieser Tage nicht kalt. Sogar Goethe ließ sich hier im Kreis drehen und soll bei der Jagd nach Ring oder Drache sogar die Inspiration für eine Szene seiner "Iphigenie auf Tauris" erhalten haben.