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Bitte beachten: Dieses ist ein klassischer Parkscout-Artikel, der bestmöglichst an das neue Layout angepasst wurde
16.06.2006 | Freizeitparks | Kolumnen

Herre says "Howdy": Härter im Nehmen


22 Parks ins 17 Tagen: Das Programm der "American Adventure" betitelten USA-Tour des European Coaster Clubs hatte es in sich. Und natürlich gab es ausreichend Kuriositäten zu beobachten, über die unser Kolumnist hier in den kommenden Wochen berichten wird.

Die Amerikanischen Freizeitparks, soviel kann man gerne pauschalisieren, sind übervorsichtig. In dem Land, in dem Alles und Jeder wegen allem und von jedem verklagt wird und es die kuriosesten Gesetze gibt – schließlich ist es in Indiana offiziell verboten, einem Affen das Rauchen beizubringen – wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass die Parkbesucher suizidgefährdete Einzeller sind, die es vor dem Schlimmsten zu bewahren gilt. Aber ich schweife ab. Es soll hier schließlich um die zweierlei Maßstäbe gehen, die in den USA bezüglich der Sicherheit von Parkgästen angewandt werden. Beim simplen "stay behind the yellow line" bleibt es nämlich vielerorts nicht – der vom US-Parkmulti Cedar Fair LP betriebene Dorney Park in Pennsylvania hat beispielsweise einen 40-sekündigen Ansagetext, der nie vom Band kommt. Nein, die Mitarbeiter müssen den Anweisungskatalog über öffnende und schließende Einstiegstüren, die Benutzung von Sicherheitsgurt und –bügel, das Verbot bezüglich dem Mitführen von losen Gegenständen und viele weitere vermeintlich sicherheitsrelevante Nichtigkeiten, die sich eigentlich aus dem gesunden Menschenverstand selbstverständlich ableiten sollten, freihändig aufsagen. Für Neulinge ist er auf einem Zettel am Fahrstand abgedruckt. Er füllt eine DIN-A4-Seite in geschätzter 14-Punkt-Schrift.

Thunderhawk
Wie auch immer: Im gleichen Land wird den Besuchern auf manchen Attraktionen ungleich mehr zugemutet, als es das Naturell der klagewütigen Amis und die berechtigte Angst hiervor seitens der Parks vermuten lässt. Wo sich im Movie Park Germany schon über leichtes Rappeln der dortigen Holzachterbahn "Bandit" beschwert wird, geht es in den USA erst los! Kurioserweise ausgerechnet im Dorney Park, wo der Woodie "Thunderhawk" derartig rau ist, dass sich ein Kollege gleich bei der ersten Fahrt eine Rippenprellung zuzog und kurz nach dem Geschehenen erstmal mit Blackout auf dem Tisch zusammensackte. Aber immer daran denken: "stay behind the yellow line!" Vermutlich haben die Dorneys versehentlich eine gelbe Linie um die Achterbahn herum gezogen und die für den Schienenzustand verantwortlichen Mechaniker trauen sich jetzt nicht mehr auf die Bahn. Diese Kombination aus völlig überzogenen Sicherheitsvorschriften gepaart mit absolut unzumutbaren Fahreigenschaften kann wirklich nur noch als absurd eingestuft werden.

J2, ehemals Tsunami
Im Clementen Lake Amusement Park in der Nähe von Philadelphia sind die Ansagen kürzer, die Bahn dafür noch härter: "J2" hatte schon mit seinem ursprünglichem Namen "Tsunami" wenig Glück, den er nur 3 Monate nach der Eröffnung im September 2004 aus verständlichen Gründen wieder ablegen musste. Richtig Pech aber haben die Fahrgäste, die sich dieser Bahn anvertrauen: Nur 2 Jahre nach der Eröffnung schlägt die Bahn derartig, dass man ihr am liebsten eine erneute Umbenennung in "Mike Tyson: The Ride" nahe legen möchte. Nur wer den Kurs vor der ersten Fahrt ausreichend studiert hat und sich wie ein Bobfahrer rechzeitig entsprechend in die Kurve legt, steigt hier noch mit einem Lächeln auf den Lippen wieder aus – alle anderen schauen eher gequält drein. Ähnliches gilt für "Boulder Dash" in Lake Compounce, Conneticut, wo der Zug im letzten Viertel einen Streckenabschnitt durchfährt, der sich anfühlt, als würde man in einem straff gefederten Sportwagen 50 cm tiefe Schlaglöcher durchfahren. Ein Wunder, dass noch kein US-amerikanischer Chiropraktiker das lukrative Geschäft erkannt und direkt gegenüber des Parks eine Praxis eröffnet hat. Und auch diese Bahn hat erst 6 Jahre auf dem Buckel.

Boulder Dash, Lake Compounce
Momentan spricht alles über den neuen Platzhirsch "The Voyage" in Holiday World, Santa Claus, Indiana. Diese nigelnagelneue Bahn kommt zwar ohne Schläge aus und aufgrund des dortigen tender-lovin’ care für Holzachterbahnen ist es auch nicht zu erwarten, dass der Park tatenlos zuschaut wird, wie die die Bahn langsam aber sicher die Schienen zerschrotet. Das würde einfach nicht zu Holiday World passen. Allerdings muss man ihm auch attestieren, mit dem Bau von "The Voyage" den Bogen schon von Beginn an eindeutig überspannt zu haben. Als die ersten Videos kursierten, schworen selbst erfahrene Achterbahnfreunde Stein und Bein, dass diese Aufnahmen in der Nachbearbeitung schneller gemacht wurden. Sie waren es nicht – und so gleicht eine Fahrt auf dieser Bahn einem Trip zur Hölle und zurück. Der Coaster scheint völlig außer Kontrolle. Die Coasterfreaks schnalzen zwar unisono (und völlig zu Recht) mit der Zunge – für Familien ist das aber nix mehr. Und darüber sollte sich ein Park, der sich vornehmlich an ebendiese Zielgruppe wendet und in dem das ganze Jahr über Weihnachten gefeiert wird, mal Gedanken machen. Selbst in einem Land, wo selbst die härtesten Holzcoaster scheinbar keine Probleme vor Gericht verursachen, gibt es Grenzen. Sollte man zumindest meinen, oder? In diesem Sinne: Wir sehen uns im Park!





Bitte beachten
Die Texte der Kolumnen-Autoren sind deren persönliche Meinung und decken sich nicht zwangsläufig mit der Meinung der Redaktion Parkscout.

Autoreninfo Tim Herre

Tim Herre ist seit der Grundschulzeit absoluter Park- und Kirmesfan und in der deutschen Szene seit vielen Jahren eine feste Größe. In einschlägigen Freizeitpark-Foren ist Tim unter dem Pseudonym "The Knowledge" aktiv - und ebenso geliebt wie gehasst, geschätzt für sein Wissen und gefürchtet für seine spitze Feder. Dies wird noch zusätzlich durch die Tatsache aufgeladen, dass er nur selten gewillt scheint, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. International bekannt ist er durch seine Tätigkeit als freier Autor des Fachmagazins "Kirmes & Park Revue" und als Buchautor für die parkscout Freizeitführer "Freizeitparks in Europa". Im täglichen Leben ist der deutsche Repräsentant des "European Coaster Club" Texter und Konzepter bei einer großen Düsseldorfer Agentur.

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