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Bitte beachten: Dieses ist ein klassischer Parkscout-Artikel, der bestmöglichst an das neue Layout angepasst wurde
04.11.2005 | Freizeitparks | Kolumnen

Herre-san in Japan: Join the Extremes!


Im September 2005 ging es für unseren Kolumnisten in das Land der aufgehenden Sonne: Der European Coaster Club (ECC) hatte zusammen mit den American Coaster Enthusiasts (ACE) eine 14-tägige Freizeitpark-Tour nach Japan organisiert. Dort gibt es nicht nur die üblichen Achterbahnen und Karussels, sondern auch allerlei bemerkenswerte Kuriositäten zu bestaunen.

Die Japaner haben es gern extrem, das haben wir in den vergangenen Wochen bezüglich Horror-Leidenschaft und Slow-Motion-Abfertigung ja bereits gelernt. Und, streift man durch die verschiedenen Freizeitparks im Land des Lächelns, wird der Hang zum Extremen auch in anderer Hinsicht überdeutlich.

Big Boom Coaster, Nasu Highland Park
Beispiel Achterbahnen: Hier ist eine Vorliebe für extreme Neigungen zu beobachten, und zwar zweierlei. Der "Big Boom Coaster" des japanischen Herstellers Meisho Amusement Machines im Nasu Highland Park zum Beispiel wartet mit einer maximalen Längsneigung von nicht weniger als 80 Grad auf. Binnen 1,5 Sekunden wird der menschliche Körper erst - 1,7 g und gleich danach + 4,5 g ausgesetzt – gesund kann das auf keinen Fall sein, weder für Mensch noch Maschine. Nur ein paar Schritte weiter lockt im gleichen Park dann der "Camelback Coaster" mit maximalen Längsneigungen um die 20 Grad. Natürlich – wir sind ja in Japan – werden die Fahrgäste angesichts der nichtexistenten negativen g-Kräfte von Schulterbügeln im Sitz gehalten. Sicher ist sicher!

Ähnliches ist bei "Red Falcon" im Hirakata Park zu bemerken. Die Strecke dieser Bahn ist wieder so flach, dass man den Verdacht hegt, die Verantwortlichen wollten wohl Monorail und Achterbahn zu einem neuartigen Konzept verquicken. Und selbstverständlich werden auch hier die Fahrgäste von Schulterbügeln gegen das Hinausfallen gesichert. Schließlich ist durchaus das Risiko gegeben, aufgrund des uninspirierten Streckenverlaufs einzuschlafen und seitlich aus dem Zug zu sacken; vielleicht also doch eine sinnvolle Einrichtung. Im gleichen Park lockt jedoch leider kein "Big Boom" der zum Ausgleich des gerade beschriebenen, baldrianesken Fahrverlaufes mit Herzrhythmus-gefährdenden Kapriolen aufwarten kann – dafür aber wohl die absurdeste Modifikation in der Geschichte der Achterbahnen:

Camelback Coaster, Nasu Highland Park
Denn Hirakata Park hat einen Spinning Coaster, genauer gesagt eine "Crazy Mouse" des französischen Herstellers Reverchon. Landauf, landab sind diese beliebt für ihre Drehfreudigkeit, ein großer Hit auf der ganzen Welt. Im Hirakata Park bietet die Bahn jedoch ein ganz besonderes Gimmick: die Gondeln drehen sich nicht. Richtig gelesen: Um die Bahn, wie es heißt, "familienfreundlicher" zu machen, haben die Techniker des in einem Vorort von Osaka gelegenen Parks kurzerhand die Schiene abgesägt, welche nach der Hälfte des Streckenverlaufes die Gondelverriegelung aufhebt und die Wagen zu drehen beginnen lässt. Nicht genug, dass man die Bahn so ihres wichtigsten Features beraubt hat – nein, auch die Sache mit der Familienfreundlichkeit ging gründlich nach hinten los, schließlich hilft die Drehbewegung ja auch, auftretende Querbeschleunigungen zu absorbieren und in Energie umzusetzen. Derjenige, der sich diesen Blödsinn ausgedacht hat, sollte mit einer Dauerfahrt von nicht weniger als 8 Stunden auf diesem Kastraten bestraft werden – wenn er dies denn aushält, es wird einem nämlich schon nach relativ kurzer Zeit relativ schlecht. Merkwürdig außerdem, dass im zuerst erwähnten Nasu Highland Park außer den bereits erwähnten Extrem-Coastern auch eine japanische Spinning-Coaster-Konstruktion beheimatet ist, die Umdrehungs-mäßig wohl jede andere Bahn ähnlichen Typs locker in den Schatten stellt. Anscheinend sind die Menschen in der Umgebung von Nasu also magenstärker als jene im Raum Osaka, denen fürsorgliche Parkbetreiber mittels Eisensäge gar ganz das Spinning verbieten – die spinnen, die Japaner! Hoffen wir, dass uns derartige Extreme in Europa erspart bleiben. In diesem Sinne: Wir sehen uns im Park!





Bitte beachten
Die Texte der Kolumnen-Autoren sind deren persönliche Meinung und decken sich nicht zwangsläufig mit der Meinung der Redaktion Parkscout.

Autoreninfo Tim Herre

Tim Herre ist seit der Grundschulzeit absoluter Park- und Kirmesfan und in der deutschen Szene seit vielen Jahren eine feste Größe. In einschlägigen Freizeitpark-Foren ist Tim unter dem Pseudonym "The Knowledge" aktiv - und ebenso geliebt wie gehasst, geschätzt für sein Wissen und gefürchtet für seine spitze Feder. Dies wird noch zusätzlich durch die Tatsache aufgeladen, dass er nur selten gewillt scheint, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. International bekannt ist er durch seine Tätigkeit als freier Autor des Fachmagazins "Kirmes & Park Revue" und als Buchautor für die parkscout Freizeitführer "Freizeitparks in Europa". Im täglichen Leben ist der deutsche Repräsentant des "European Coaster Club" Texter und Konzepter bei einer großen Düsseldorfer Agentur.

© Parkscout / TH