Bitte beachten: Dieses ist ein klassischer Parkscout-Artikel, der bestmöglichst an das neue Layout angepasst wurde
02.12.2005 | Freizeitparks | Kolumnen
Mein Leben als Zombie
Alljährlich verwandeln sich immer mehr Freizeitparks in Gruselkabinette – Halloween greift mittlerweile auch in Deutschland flächendeckend um sich. Allerorten spuken ein Haufen Gruselgesellen durch langsam aber sicher in den deutschen Sprachgebrauch übergehende US-Wortschöpfungen wie Mazes oder Scare Zones. Unser Kolumnist war einer von ihnen – und musste feststellen: dieser Knochenjob ist der reinste Horror!
Auch der Heide-Park in Soltau ist seit der Saison 2004 groß im Gruselgeschäft. Bereits letztes Jahr wurde ein Maze präsentiert, bei dem die Besucher sich an einem Seil entlang durchs Dunkel tasten mussten um am Ende in einen Wagen der Parkeisenbahn zu steigen. Deren Fahrt durfte erwartungsgemäß nicht gänzlich ohne Zwischenfälle auskommen. Das war eigentlich ein ziemlich geschmeidiger Job: alle 5 Minuten kam ein Wagen vorbei, Gruselmusik links anschalten, Nebelmaschine rechts betätigen und dann auf sie mit Gebrüll. Bis auf einige wenige Zwischenfälle wie die hinterher blutende Lippe eines hohen Tieres des Heide-Park-Mutterkonzerns Tussaud’s, lief alles planmäßig ab. Tja: Wo gehobelt wird, da fallen bekanntlich Späne und Spaß hat es zudem auch noch gemacht – nicht das mit der Lippe des Prokuristen, sondern die ganze Veranstaltung an sich. Grund genug also, sich in 2005 wieder im Kreis der Freiwilligen einzufinden.
Dieses Jahr hat sich die Heide-Park-Kreativschmiede was Neues ausgedacht: Im Keller der Schweizer Bobbahn, der sonst lediglich als Aggregatraum fungiert und weitgehend leer steht, wurde ein grausiges Szenario geschaffen. Thematisch ging es um schief gelaufene Gen-Experimente in einem Unternehmen, welches sich mit Biochemie beschäftigt – und wenn solche Experimente daneben gehen, dann hat das natürlich fatale Folgen, insbesondere für Aussehen und Grobmotorik der Opfer. Die Mechanik des Mazes war dann auch so einfach wie effektiv: Ein Guide stellt sich aus den Wartenden ein Research-Team zusammen, welches versucht, den verschollenen Dr. Werner Kaufmann zu finden – schließlich ist er der Einzige, der einen Ausweg aus dem Schlamassel weiß. In der Pre-Show werden der Gruppe die letzten Bilder des verlustig gegangenen Chemikers präsentiert, und dann gilt es: Bitte alle ab in die Dunkelheit, die Welt retten.
Nach einigen Versuchen als Untoter hatte ich bald meine Traumrolle gefunden: die des Guides. Gewandet in einen Maler-Overall aus dem Baumarkt ... ähhh ... natürlich in einen Strahlenschutzanzug galt es jeweils 10 Leute mit der Taschenlampe bewaffnet durch das Dunkel zu führen, den Weg zu weisen, an den richtigen Stellen Panik zu verbreiten und mit den Zombies zu interagieren. Was sich vermutlich schon viele gedacht haben stimmt auch hier: wer vor der Tür noch die dickste Lippe riskiert, ist sobald in Dunkelheit und Nebelschwaden umgeben meist ziemlich ruhig. Allerdings stimmt auch, dass panische Mädels grundsätzlich panische Mädels bleiben. Eigentlich schreien alle, so viel kann man sagen. Wenn der verrückte Arzt, mit dem die Gruppe auf halber Strecke konfrontiert wird, sich blutige Augen durch die Zähne schlürft, wenden sich auch die Hartgesottensten angewidert ab – und so soll es ja auch sein. An dieser Stelle merken dann übrigens auch die besserwisserischsten Mütter, dass es vielleicht doch keine so gute Idee war, die 10-jährige Tochter mit hinein zu nehmen, welche 3 Minuten später unserem Madman-Mediziner im Stroboskoplicht hyperventilierend gegenüber steht. Aber das ist grundsätzlich ein Problem: uneinsichtige Eltern, die der Meinung sind, es besser zu wissen, als die, die es besser wissen müssen. Davon können auch die Mitarbeiter an Fahrgeschäften mit Größenbeschränkung ein Lied singen.
Weiterhin ein Problem bei der Arbeit in einem solchen Horror-Labyrinth ist die Aufgabe, eine 10-köpfige Gruppe zusammen zu halten. In jeder Gruppe gibt es nämlich grundsätzlich 3 Arten von Gästen: die, die am liebsten durchrennen würden, frei nach dem Motto: möglichst schnell wieder raus, die, die sich gar nicht weiter trauen und einfach stehen bleiben und die, die versuchen mit doofen Sprüchen ihre Lockerheit zu demonstrieren – was ungefähr 30 Sekunden hält. All die wollen nun mit ihren unterschiedlichen Dynamiken gleichzeitig durchs Maze geführt werden. Kein leichtes Unterfangen – einen Sack Flöhe zu hüten ist sicherlich einfacher.
Aber auch sonst gibt es natürlich viele Dinge zu beachten: Zum einen muss man ziemlich aufs Timing achten. Wer an seinem Zombie-Kollegen vorbeihetzt und ihnen nicht genug Zeit zum Agieren gibt, verdirbt die Show komplett. Aus diesem Grund hatten wir einen durchgestoppten Soundtrack, der strikt vorgab, zu welcher Zeit die Gruppe an welcher Stelle zu sein hatte. Die Lenkung der Aufmerksamkeit der Leute auf das Wesentliche ist ebenfalls unabdingbar, denn aufgrund von limitiertem Budget konnten die Räume nicht vollständig thematisiert werden, und so war es zwingend nötig, nur das zu zeigen, was die Besucher sehen sollten. Im Laufe der Veranstaltung merkten wir ohnehin, dass z. B. aufwendig gestaltete Leichen die Gäste kaum heftigere Schauer den Rücken hinab jagen, als schiere Dunkelheit und exzessiver Einsatz von Nebel. Wer selbst ein derartiges Maze plant, der darf eher an der Gestaltung sparen, als an der Nebelflüssigkeit. Korrekt zugenebelte Räume sind das A und O. Ergo: Wer keinen Nebel hat, hat keinen Erfolg – so viel ist sicher. Und selbstverständlich ist der Grundsatz eines jeden Mazes die Ablenkung. Wenn ein Erschrecker von links kommt, dann gilt es die Blicke der Besucher rechzeitig nach rechts zu dirigieren. Wenn man das schafft, dann sitzt der „Scare“ wie eine Eins.
Dazu kommt noch die nicht zu vernachlässigende körperliche Belastung. 4 Liter Mineralwasser plus 25 Emser-Pastillen gingen an einem Abend durch meine zerschundene Kehle. Letztere wurden – im Beisein der Gäste während der Pre-Show eingenommen – natürlich als Jod-Tabletten inszeniert. Es hilft alles nichts: die Stimme ist am nächsten Tag weg. Der Spaß bleibt allerdings, und deshalb erinnere ich mich nur zu gerne an die Zeit in der Dunkelheit zurück. Und denken Sie daran: Immer nett sein zu den Monstern, das sind auch nur Menschen, die ihren Job machen. In diesem Sinne: Wir sehen uns im Park!
Grusel-Crew, blutender Kolumnist ganz rechts
Dieses Jahr hat sich die Heide-Park-Kreativschmiede was Neues ausgedacht: Im Keller der Schweizer Bobbahn, der sonst lediglich als Aggregatraum fungiert und weitgehend leer steht, wurde ein grausiges Szenario geschaffen. Thematisch ging es um schief gelaufene Gen-Experimente in einem Unternehmen, welches sich mit Biochemie beschäftigt – und wenn solche Experimente daneben gehen, dann hat das natürlich fatale Folgen, insbesondere für Aussehen und Grobmotorik der Opfer. Die Mechanik des Mazes war dann auch so einfach wie effektiv: Ein Guide stellt sich aus den Wartenden ein Research-Team zusammen, welches versucht, den verschollenen Dr. Werner Kaufmann zu finden – schließlich ist er der Einzige, der einen Ausweg aus dem Schlamassel weiß. In der Pre-Show werden der Gruppe die letzten Bilder des verlustig gegangenen Chemikers präsentiert, und dann gilt es: Bitte alle ab in die Dunkelheit, die Welt retten.
Chainsaw-Posing
Weiterhin ein Problem bei der Arbeit in einem solchen Horror-Labyrinth ist die Aufgabe, eine 10-köpfige Gruppe zusammen zu halten. In jeder Gruppe gibt es nämlich grundsätzlich 3 Arten von Gästen: die, die am liebsten durchrennen würden, frei nach dem Motto: möglichst schnell wieder raus, die, die sich gar nicht weiter trauen und einfach stehen bleiben und die, die versuchen mit doofen Sprüchen ihre Lockerheit zu demonstrieren – was ungefähr 30 Sekunden hält. All die wollen nun mit ihren unterschiedlichen Dynamiken gleichzeitig durchs Maze geführt werden. Kein leichtes Unterfangen – einen Sack Flöhe zu hüten ist sicherlich einfacher.
Party danach
Dazu kommt noch die nicht zu vernachlässigende körperliche Belastung. 4 Liter Mineralwasser plus 25 Emser-Pastillen gingen an einem Abend durch meine zerschundene Kehle. Letztere wurden – im Beisein der Gäste während der Pre-Show eingenommen – natürlich als Jod-Tabletten inszeniert. Es hilft alles nichts: die Stimme ist am nächsten Tag weg. Der Spaß bleibt allerdings, und deshalb erinnere ich mich nur zu gerne an die Zeit in der Dunkelheit zurück. Und denken Sie daran: Immer nett sein zu den Monstern, das sind auch nur Menschen, die ihren Job machen. In diesem Sinne: Wir sehen uns im Park!
Bitte beachten
Die Texte der Kolumnen-Autoren sind deren persönliche Meinung und decken sich nicht zwangsläufig mit der Meinung der Redaktion Parkscout.
Die Texte der Kolumnen-Autoren sind deren persönliche Meinung und decken sich nicht zwangsläufig mit der Meinung der Redaktion Parkscout.
Autoreninfo Tim Herre
Tim Herre ist seit der Grundschulzeit absoluter Park- und Kirmesfan und in der deutschen Szene seit vielen Jahren eine feste Größe. In einschlägigen Freizeitpark-Foren ist Tim unter dem Pseudonym "The Knowledge" aktiv - und ebenso geliebt wie gehasst, geschätzt für sein Wissen und gefürchtet für seine spitze Feder. Dies wird noch zusätzlich durch die Tatsache aufgeladen, dass er nur selten gewillt scheint, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. International bekannt ist er durch seine Tätigkeit als freier Autor des Fachmagazins "Kirmes & Park Revue" und als Buchautor für die parkscout Freizeitführer "Freizeitparks in Europa". Im täglichen Leben ist der deutsche Repräsentant des "European Coaster Club" Texter und Konzepter bei einer großen Düsseldorfer Agentur.
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