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Bitte beachten: Dieses ist ein klassischer Parkscout-Artikel, der bestmöglichst an das neue Layout angepasst wurde
24.02.2011 | Freizeitparks | Kolumnen

Wer hat den Längsten?


Schon die deutsche Grammatik lehrt uns, dass es nur einen Superlativ geben kann. Besser als "das Beste" geht nicht, einziger als "einzig" auch nicht, und auch "das Höchste" kann und darf es nur einmal geben. Allerdings mag dies nicht jeder einsehen wollen – und schon gar nicht, wenn es um Marketingempfindlichkeiten geht.

Jüngstes Beispiel ist der gerichtliche Streit zwischen den beiden Schaustellern Oscar Bruch jr. und Theo Rosenzweig, bei dem es darum ging, welcher von beiden denn nun über das größte transportable Riesenrad der Welt verfügt und diesen Titel auch in der Werbung für sich beanspruchen kann. 60 Meter gegen 57 Meter – keine Chance für das Bruch'sche "Expo Star" - das "Steigerrad" bekam den Titel höchst offiziell vom Düsseldorfer Landgericht zugesprochen. "Auf die Größe kommt's nicht an", so kommentierte Oscar Bruch das Urteil – allerdings nicht ohne darauf hinzuweisen, dass er immer noch mit seinem "Bellevue"-Riesenrad als das – Achtung! - größte transportable Riesenrad der Welt mit geschlossenen Gondeln werben könnte. Was kommt als nächstes? Dürfen sich Kirmesbesucher demnächst auf Plakatwerbung mit dem "größten transportablen Riesenrad der Welt mit geschlossenen Gondeln und seidenmatt glänzenden Kassenhäuschen in Metallic-Aubergine und 5.1 Digital Surround Sound" einstellen – egal über welche Höhe das Fahrgeschäft nun letztendlich verfügt? Es ist dem Fahrgast doch völlig egal, ob er nun in einem Rekord-Riesenrad sitzt oder nicht – Hauptsache, die Aussicht ist schön, die Sicherheit gegeben und man fühlt sich wohl. Zumal beide angesprochenen Attraktionen sich nicht im entferntesten mit dem tatsächlich höchsten Riesenrad der Welt messen können – das steht nämlich in Peking und misst stolze 208 Meter, ist allerdings nicht transportabel. Und so treibt die Suche nach Rekorden für eine vermeintlich höhere Werbewirksamkeit seltsame Blüten.

Ein gutes Beispiel hierfür ist ein großer Freizeitpark in Norddeutschland, der seine 2001 eröffnete Holzachterbahn mit einer Höhe von 60 Metern bewirbt. Dumm nur, dass der Konstrukteur der Bahn, Werner Stengel, die Höhe mit 52 Metern angibt. Acht Meter machen in der Praxis wirklich keinen Unterschied, wenn man vor der gigantischen Konstruktion steht und in die Höhe schaut – und auch die Fahrt ist so oder so nahezu unvergleichbar. Allerdings konnte man dank dieser Zahlen-Diskrepanz im Jahr der Öffnung den Titel "höchste Holzachterbahn der Welt" für sich beanspruchen, da die von Stengel angegebenen 52 Meter damals schon von "Rattler" im amerikanischen Six Flags Fiesta Texas geschlagen worden wären. Außerdem wurden selbst die angegebenen 60 Meter schon 2001 von der Bahn "Son of Beast" in Kings Island, Ohio überboten, die jedoch einen Looping aus Stahl beinhaltete, weswegen man den Coaster in Norddeutschland schnell als "höchste reine Holzachterbahn der Welt" bezeichnete, um die Konkurrenz aus Übersee sozusagen "auszuschließen".

Zu glauben, dass dies ein Einzelfall ist, wäre illusorisch. Allzu oft werden die Daten von Höhe, Länge, Geschwindigkeit oder Investititionssummen großzügig aufgerundet - ob im Norden, Westen, Osten oder Süden. So wurde bei einer Achterbahn auch schon eine große Antenne auf dem Lifthill mitgemessen, um die Gesamthöhe imposanter erscheinen zu lassen. Und auch die oft genannte Höchstgeschwindigkeit lässt sich bei vielen Achterbahnen anhand physikalischer Gesetzmäßigkeiten als Marketing-Voodoo entlarven. Jedoch können Besucher in den seltensten Fällen die angegebenen Zahlen überprüfen – und für die Parks sind Rekorde, egal wie seltsam diese auch sein mögen, ein Ansatzpunkt für gezielte Werbemaßnahmen in der irrigen Ansicht, damit jemanden beeindrucken zu können. Es mag ja sein, dass es nicht auf die Größe ankommt, um noch einmal Oscar Bruch zu zitieren – aber offensichtlich wird trotzdem gerne damit geprahlt, den "Längsten" zu haben...

Bitte beachten
Die Texte der Kolumnen-Autoren sind deren persönliche Meinung und decken sich nicht zwangsläufig mit der Meinung der Redaktion Parkscout.

Autoreninfo Mike Vester

Mike Vester beschäftigt sich bereits seit seiner Jugend mit dem Thema Freizeitparks / Kirmes und gehört heute zu den wichtigsten Autoren der Parkscout-Fachredaktion. Sein Hang zu Polemik und Übertreibungen ist zwar legendär, aber wer genau hinhört, merkt schnell, daß er mit seinem Motto "zeitlos, stillos, geschmacklos" zwischen den Zeilen immer genau den Punkt trifft. Der frühere Kleinkunst-Texter ist überzeugter Fan von allem, was mit dem Thema "Disney" zu tun hat und läßt dies auf seine liebenswert schrullige Art auch sicherlich öfter in seine Kolumne einfließen. In diesem Sinne also: Immer vester druff...

© parkscout/MV