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Bitte beachten: Dieses ist ein klassischer Parkscout-Artikel, der bestmöglichst an das neue Layout angepasst wurde
18.12.2011 | Freizeitparks | Kolumnen

Die "Disneyfizierung" von Zoos


Wenn sich ein Journalist in Deutschland gerne traditionsbewusst und gehaltvoll an Kultur zeigen möchte, kramt er gerne in der Mottenkiste der Schreckgespenster einen Begriff hervor, der dem uninformierten Leser einen Schauer des Schreckens einjagen soll. "Disneyfizierung" lautet das Unwort, mit dem oft und gerne Entwicklungen kommentiert werden, die dem deutschen Kleingeist so gar nicht gefallen wollen.

Die Theaterkultur gerät so in ein schiefes Licht, jeder Anflug von Freizeitgestaltung bekommt bei der unpassendsten Gelegenheit den Micky-Maus-Stempel aufgedrückt, und auch die Zoos trifft der Vorwurf in letzter Zeit recht häufig, wenn es um die Umgestaltung von unrentablen Tierparks zu modernen Erlebniswelten geht. Die Zoos in Hannover, Gelsenkirchen, Leipzig … wie oft las man im Zusammenhang mit dem Schritt in eine richtungsweisende Tierhaltung von "Disneyfizierung"? Man muss sich wirklich fragen, ob eine solche Kritik nicht nur keinen Millimeter über den Tellerrand hinaus geht, sondern auch, ob die Verfasser solcher Wortspiele überhaupt den Tellerrand jemals wahrgenommen haben? Zunächst einmal bleibt festzuhalten, dass Disney in Orlando mit "Animal Kingdom" nicht nur eine Mischung aus Freizeitpark und Zoo betreibt, sondern vor allem den Tieren dort Bedingungen liefert, von denen die meisten ihrer Artgenossen in Europa nur träumen können. Mit einer Fläche von mehr als zwei Quadratkilometern bietet er seinen Bewohnern nicht nur jede Menge Platz, sondern es wurden auch in Zusammenarbeit mit Zoologen modernste Gehege errichtet. Es mag vielleicht den einen oder anderen Zoofreund stören, dass er die Tiere dort nicht in beengten Käfigen mit Gittern und einem aussagekräftigen Infoschildchen an der Türe beobachten kann, sondern in einer Art Safari mit offenen Bussen durch eine perfekt nachgebildete Savanne fährt und Löwen, Elefanten oder Giraffen in einer der Natur angepassten Umgebung erleben darf – allerdings muss die Frage erlaubt sein, in welchem Szenario sich die Tiere vermutlich wohler fühlen dürften.

Was gehört noch zur "Disneyfizierung"? Wenn man sich "Animal Kingdom" anschaut, dann ist eine gehörige Portion Edutainment auch ein Teil dieses Programms. Es gibt Missionen, an denen die Besucher teilnehmen können, um Wilderer zu stoppen. Es gibt eine offene medizinische Station, in der man den Ärzten und Pflegern sozusagen bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen kann. Es gibt Lehrpfade, tiefere Einblicke in die Tierhaltung und vieles mehr, das den Besuchern auf unterhaltsame Art und Weise Informationen vermittelt, die letztendlich dem Verhältnis zwischen Mensch und Tier zu Gute kommen sollen. Und ja – es gibt auch Fahrgeschäfte wie Achterbahnen oder ein Rafting, um auch Besucher anzulocken, die dem Thema "Zoo" ansonsten nicht viel abgewinnen können, wodurch auch ein gutes Stück Aufklärungsarbeit geleistet wird. Denn wer einmal den nicht gerade günstigen Eintritt bezahlt hat, wird vermutlich auch den Zoo-Bereich des Parks erkunden wollen.

Letztendlich gehört natürlich auch das Design der Gehege und Anlagen zu den Punkten, die gerne als "Disneyfizierung" bezeichnet werden. Üblicherweise leben Tiere hierzulande in Käfigen oder abgesteckten Gehegen, die zwar in vielen Fällen zweckmäßig und artgerecht sind, aber eben auch auf das Wecken von Emotionen mehr oder weniger komplett verzichten. Der deutsche Zoo sieht sich traditionell in der Mehrheit als wissenschaftliche Einrichtung, als Menagerie von Zahlen, Daten und Fakten. Der Fokus soll einzig und alleine bei den Tieren liegen. Doch genauso wie ein nacktes Aquarium mit Fischen ohne Pflanzen und Wurzeln für viele Fische artgerecht ist und trotzdem auf das menschliche Auge eher unansprechend wirkt, ist ein Gehege ohne eine entsprechende Szenerie eben auch irgendwie optisch unattraktiv. Doch wie sollen Menschen lernen, Tiere zu lieben und sie zu verstehen, wenn ihr Interesse nicht geweckt wird? In der Werbung sind unterschwellige Botschaften völlig normal, und auch Disney versteht es vorzüglich, durch viele Kleinigkeiten das Unterbewusstsein seiner Besucher zu erreichen.

Natürlich könnte man Elefanten einfach auf einer nackten Wiese präsentieren, und Languren dürften sich in einem normalen Affenhaus auch wohl fühlen – aber wenn dies alles wie im Falle des Erlebnis-Zoo Hannover mit einer alten indischen Tempelruine vermischt wird, entsteht bei dem Besucher eine gesteigerte Neugier, und er wird aufgeschlossener für neue Erfahrungen. Und auch eine Bootsfahrt durch Afrika in der Gelsenkirchener ZOOM Erlebniswelt weckt gerade bei Kindern den Abenteuer- und Forschergeist.

Ja, man mag all dies als "Disneyfizierung" bezeichnen – aber man sollte dabei bedenken, ob diese Entwicklung wirklich so negativ ist, wie es scheint. Bei den entsprechenden Zoos gehen die Besucherzahlen in die Höhe, der allgemeine Gästezuspruch ist entsprechend hoch, und letztendlich profitieren auch die Tiere, um die es dabei geht, von einem zunehmenden allgemeinen Interesse.

Bitte beachten
Die Texte der Kolumnen-Autoren sind deren persönliche Meinung und decken sich nicht zwangsläufig mit der Meinung der Redaktion Parkscout.

Autoreninfo Mike Vester

Mike Vester beschäftigt sich bereits seit seiner Jugend mit dem Thema Freizeitparks / Kirmes und gehört heute zu den wichtigsten Autoren der Parkscout-Fachredaktion. Sein Hang zu Polemik und Übertreibungen ist zwar legendär, aber wer genau hinhört, merkt schnell, daß er mit seinem Motto "zeitlos, stillos, geschmacklos" zwischen den Zeilen immer genau den Punkt trifft. Der frühere Kleinkunst-Texter ist überzeugter Fan von allem, was mit dem Thema "Disney" zu tun hat und läßt dies auf seine liebenswert schrullige Art auch sicherlich öfter in seine Kolumne einfließen. In diesem Sinne also: Immer vester druff...

© parkscout/MV

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