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16.07.2012 | Magazin | Musicals und Shows

Spielzeug-Premiere im GOP Essen


Der "Flötenmann" Gabor Vosteen © Frank Wilde / GOP

Jeder dürfte vermutlich die großartige Trilogie "Toy Story" aus dem Hause Disney Pixar kennen, deren erster Teil im Jahre 1995 den Animationsfilm revolutionierte. Das GOP Variete in Essen präsentiert zur Zeit seine ganz eigene Version einer "Spielzeug-Geschichte", in der nachts in einem alten Spielwarenladen die Puppen lebendig werden und die Zuschauer in ihren magischen Bann ziehen.

"Toys", so der Name der Show, ist eine echte Premiere, die noch nie zuvor in einem anderen GOP-Theater gezeigt wurde – wie Matthias Peiniger von der Direktion des Essener Hauses mit Stolz verkündete. Damit hat die Ruhrgebietsmetropole die große Ehre, als Geburtshelfer des vielleicht sogar besten Programms der letzten fünf Jahre zu dienen, denn "Toys" ist einfach eine rundum gelungene Sache. Dies fängt schon bei dem liebevoll gestalteten Bühnenbild mit seinen unzähligen Teddies, Puppen und anderem Spielzeug an, das zu Beginn mit Schwarzlicht atmosphärisch beleuchtet wird und den Rahmen vorgibt für die insgesamt elf Artisten aus acht verschiedenen Ländern.

Den Anfang macht der Kanadier Jorden Moir, ein Jongleur, der ausnahmsweise nicht mit Bällen hantiert, sondern mit sogenannten Hack-Y-Sacks - Stoffsäckchen, die mit Bohnen gefüllt sind. Diese Form der Jonglage ist recht selten und technisch äußerst anspruchsvoll, da die Sacks nicht so berechenbar sind wie normale Bälle. Dass Moir dazu nicht nur seine Hände, sondern auch seine Füße, Oberarme und den Kopf benutzt, macht die Darbietung nur umso interessanter. Auch bei den Antipoden gibt es diesmal eine Abwandlung. Nataliya Tolstikova lässt die ansonsten bei solchen Nummern oft verwendeten Schirme weg, sie balanciert stattdessen geometrische Figuren mit ihren Füßen und lässt diese durch die Luft wirbeln. Dabei wirkt die elegante Russin in ihrem hautengen und futuristischen Outfit fast wie eine Action-Figur aus dem letzten "Tron"-Film.
Viktoria Gnatiuk © Frank Wilde / GOP

Barbie macht Handstand

Klassischer wird es dann am Schlappseil, wenn Vitaly Ostroverkhov als eine zum Leben erweckte Aufziehpuppe mit einem Einrad auf dem Seil fährt und dabei Hütchen jongliert. Auch der Franzose Thomas Vey nutzt für seine Darbietung ein Einrad, allerdings bleibt er bei seinen irrwitzigen Pirouetten auf dem Bühnenboden – genau wie Marie-Maude aus Kanada, die in einem eher ruhigen und poetischen Act wie eine Ballerina mit Hilfe eines Rhönrads über den Dingen schwebt. Ein ganz besonderes Highlight erwartet die Besucher übrigens bei der Equilibristik von Viktoria Gnatiuk. Normalerweise sind Nummern dieser Art ja altbekannt, aber die Ukrainerin hat es wirklich geschafft, diese schon arg strapazierte Form der Artistik in eine derart neue Präsentations-Form zu transformieren, dass man nur noch staunen kann. In einem pinkfarbenen grellen Kostüm, das sicher nicht von ungefähr an eine "Barbie"-Puppe erinnert, baut sie aus bunten, mit Schwarzlicht angestrahlten Steinen eine Pyramide, die sie pausenlos umbaut, während sie darauf mit den Händen balanciert. Absolut sehenswert!

Ein Knaller ist auch die Partnerakrobatik von Alex & John, die bei dem munteren Spielzeug-Treiben die Generation der Videospiele verkörpern und als Fleisch gewordene Version von Super Mario und Lugi mit einem Augenzwinkern ein kraftvolles Jump-n-Run-Game inszenieren, bei dem man nur staunen kann. Die passende Musik aus dem Nintendo-Klassiker verstärkt dabei noch die spielerische Leichtigkeit, mit der die beiden die schwierigsten artistischen Aufgaben scheinbar mühelos meistern. Diese etwas seltsam anmutende Kombination wird nur noch übertroffen von Gabor Vosteen. Der barock wirkende Musikus mit der hoch aufgestellten Tolle spielt auf einer Blockflöte – Pardon! Er spielt auf fünf Blockflöten. Und dies gleichzeitig – mit Mund und mit Nasenlöchern. Diese einzigartige Vorstellung hat durchaus etwas Magisches, und Vosteen versteht es meisterhaft, dabei mit dem Publikum zu spielen.

Einfach toll: Baccalà Clown © Frank Wilde / GOP

Pss Pss!

Den Rahmen für all diese großartigen Künstler bildet bei "Toys" das Duo "Baccalà Clown", bestehend aus dem Italiener Simone Fassari und der Schweizerin Camilla Maria Pessi. Obwohl der Verfasser dieser Zeilen fast schon eine Clown-Phobie entwickelt hat und bei jedem "Dummen August" entnervt die Hände vor den Kopf legt, kann man von den beiden einfach nur begeistert sein! Sie beherrschen nicht nur die stille subtile Komik eines Buster Keaton, die ganz nebenbei weitaus schwieriger ist als der Hauruck-Humor so mancher Kollegen, sondern verfügen auch über eine brillante Körperbeherrschung, die ihnen auch artistische Höchstleistungen am Trapez oder bei der Partnerakrobatik ermöglicht. Und wenn Camilla Maria Pessi auf dem Kopf eines Besuchers einen Handstand macht, kann man nur erahnen, wie hochkonzentriert sie dabei vorgehen muss – ihr Gesichtsausdruck jedenfalls wirkt genauso unschuldig und abwesend wie zuvor. "Baccalà Clown" ist ein großartiger Act, den man unbedingt gesehen haben sollte. Und spätestens nach dem Ende der Show hat jeder Gast ein zischendes "Pss Pss!" auf den Lippen.

"Toys" ist eine nahtlose Aneinanderreihung von Höhepunkten, die zudem noch perfekt von Regisseur Ulrich Thon inszeniert wurde. Es gibt keine Füllnummern, keine langweiligen Momente, keinen Durchhänger. Dass die Programme der GOP-Gruppe grundsätzlich immer qualitativ hochwertig sind, ist ein offenes Geheimnis. Aber mit dieser neuen Show wurde die Messlatte für zukünftige Produktionen spürbar nach oben verlegt. Unbedingt anschauen! Weitere Informationen zu den Spielzeiten und Eintrittspreisen finden Sie unter www.variete.de.

© parkscout/MV

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