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04.11.2010 | Musicals und Shows | Magazin
GOP Variete Essen: Angell
Ein Engel und ein Kontrabass
Integraler Bestandteil von "Angell" sind die Kompositionen des Kontrabassisten Sergej Sweschinskij, der mit seinem langen Ledermantel und düsterem Blick einem modernen Vampirfilm entstiegen zu sein scheint. Im direkten Kontrast dazu steht der Klangvirtuose Adam Tomaszewski, der mit Latzhose, Percussions und einem Xylophon für den passenden Rhythmus sorgt. Den Gesang schließlich übernimmt Anja Krips, gleichzeitig Direktorin des Cirque Bouffon und stimmgewaltiger Dreh- und Angel(l)punkt des musikalischen Treibens auf der Bühne, die in ihrem mittelalterlich anmutenden Gewand im wahrsten Sinne des Wortes den Ton angibt. Keine Frage – dieses Trio ist das klare Highlight einer ansonsten sehr egozentrischen Show, die beim Publikum nicht nur auf Zuneigung stoßen wird. Sehr schade, dass andere Instrumente in den Musikstücken leider vom Band kommen und nicht ebenfalls live on Stage gespielt werden.
Sergej Sweschinskij
Die Artistik-Nummern schwanken von solide (Nataliya und Viktor Nebrat mit einer Partnerakrobatik und Mikhail Stepanov an den Strapaten) über originell (Iryna Bondarenko als jonglierende Primaballerina und Natalie Reckert als wild gackerndes Equilibristik-Huhn) bis hin zu völlig durchgeknallten Darbietungen von Marie-Juana Jimenez, die mit einem breiten Grinsen im Gesicht und einem schrillen Flamenco-Outfit fast schon parodistische Trapez- und Schlappseilakrobatik zeigt. Bis auf eine wunderschöne Ring-Nummer in Verbindung mit einem Kontrabass bleibt die Inszenierung aber seltsam unromantisch und gestelzt künstlerisch, es fällt einem vor allem in der ersten Halbzeit schwer, einen Zugang zu "Angell" zu finden. Doch auch wenn die zweite Hälfte der Show mitreißender ist: Regisseur Frederic Zipperlin, ehemaliges Mitglied des Cirque du Soleil, hat sich ein wenig zu sehr von den Konzepten des Sonnenzirkus leiten lassen, die wie zum Beispiel im Falle "Varekai" oder "Saltimbanco" oft Durchschnittliches durch multimedialen Pomp zu einem Event hochstilisieren. Und wenn eben dieser Pomp fehlt, werden die Schwächen des Programms umso deutlicher.
Ob einem nun "Angell" gefällt oder nicht, hängt stark von der Erwartungshaltung und dem eigenen Verständnis von Kunst und Humor ab. Das neue Programm im GOP Essen ist eine reine Konzept-Show mit Stärken und Schwächen – die Gewichtung muss jeder für sich selbst vornehmen. Und eine zumindest interessante Alternative zu den üblichen Nummern-Revues ist und bleibt es allemal. Weitere Informationen finden Sie unter www.variete.de.
© parkscout/MV, Bilder: GOP